Wenn du das liest, hast du wahrscheinlich nach so etwas wie “Bandscheibenvorfall” oder “Diagnose Bandscheibenvorfall” gegoogelt. Ich darf also davon ausgehen, dass du entweder vermutest, dass du einen Bandscheibenvorfall hast oder bereits traurige Gewissheit hast und die Diagnose wahrscheinlich in Form eines Befundes des Radiologen in Händen hältst.
Auch ich war in dieser Situation und die Diagnose traf mich völlig unvorbereitet. Ich hätte nie gedacht, dass ich einen Bandscheibenvorfall haben könnte. Ich bin sportlich, ernähre mich gesund und hatte zur Zeit meiner Diagnose absolutes Idealgewicht. Bandscheibenvorfälle waren in meiner Wahrnehmung den Alten und Dicken vorbehalten. Wie arrogant ich nur war! Dass meine Wahrnehmung komplett falsch ist und die Erkenntnis, dass es jeden jederzeit treffen kann, erhielt ich nach wochenlangen Schmerzen in Form eines Befundes des Radiologen: sequestierter Bandscheibenvorfall L5/S1. Ich fiel aus allen Wolken. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich mit dieser Neuigkeit umgehen sollte. In diesem Artikel beschreibe ich meinen Umgang mit der Diagnose Bandscheibenvorfall und möchte dir Tipps dazu geben, was den Umgang mit der Diagnose Bandscheibenvorfall erleichtert.
Inhalt
Wie war die Diagnose Bandscheibenvorfall für mich?
So komisch das klingt: Nachdem ich Wochen und Monate unter starken Schmerzen gelitten hatte und mir einfach keinen Reim darauf machen konnte, war ich sogar fast schon ein bisschen erleichtert, als ich endlich ein MRT-Bild mit einer Diagnose in meinen Händen hielt und sagen konnte: Ich habe einen Bandscheibenvorfall und er ist verantwortlich für meine Schmerzen.
Auf der anderen Seite wankte mein Selbstbild. Ich war zu dieser Zeit extrem sportlich. Ich verbrachte pro Woche ca. 6 Stunden mit Lauf- und Mountainbiketraining, zusätzlich Kraft- und Stabilisationsübungen im Kraftraum und zuhause. Ich hatte bisher zu keinem Zeitpunkt auch nur einen Gedanken an die Möglichkeit einer solche Diagnose verschwendet. Ich war also völlig unvorbereitet und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich war bis dahin auch nur selten überhaupt einmal beim Arzt, geschweige denn bei einem Orthopäden gewesen.
Wie ging es für mich mit der Diagnose Bandscheibenvorfall weiter?
Eines vorweg : Mir wurde die Entscheidung, wie es nach der Diagnose weitergehen soll, ziemlich schnell abgenommen, denn meine Schmerzen eskalierten derart, dass ich ins Krankenhaus musste. Bis dahin hatte ich aber zumindest den Entschluss gefasst, dass ich nicht operiert werden, sondern es mit einer konservativen Therapie versuchen möchte. Aber der Reihe nach:
Ich wurde von meiner damaligen Hausärztin zum Radiologen überwiesen, der die Diagnose stellte. Die Reaktion der Hausärztin: Sie verschrieb mir 800er Ibuprofen und ich bekam ungefragt ein Rezept über EAP (ich bin privat versichert) EAP? Was ist das? Das fragte ich mich auch, erhielt aber keine Erklärung. Enttäuscht von so viel ärztlicher Ignoranz fuhr ich nach Hause und war erst einmal komplett alleine mit der Diagnose.
Irgendwie legte sich in mir sofort ein Schalter um. Ich war von Tag eins an voller Tatendrang. Kein Hadern, kein Zaudern. Trotz starker Schmerzen wollte ich mein Problem aktiv angehen. Bloß nicht passiv abwarten, bis mir irgendeine Entscheidung abgenommen wird. Ich meldete mich bei meinem Arbeitgeber krank und fasste den Entschluss, mir zu allererst kompetente Ärzte und Therapeuten zu suchen. Also klemmte ich mich ans Telefon und versuchte Termine zu bekommen. Das stellte sich leider als gar nicht so einfach heraus und so kam es, dass ich zuerst einen Termin bei einem Physiotherapeuten und Osteopathen bekam, bevor ich zu einem Orthopäden in einer renommierten Klinik für konservative Schmerztherapie gehen konnte. Als nächstes wechselte ich meine Hausärztin. Fortan ging ich nur noch in eine kleine Privatarztpraxis, wo man sich Zeit nimmt für die Patienten und man nicht nur mit Schmerzmitteln abgefertigt und nach Hause geschickt wird. Ich hatte bei der Wahl meiner Ärzte und Therapeuten ein gutes Händchen. Ich hatte mir innerhalb weniger Tage ein äußerst kompetentes Team aus Ärzten und Therapeuten zusammengestellt, die sich perfekt ergänzten: Hausärztin, Physiotherapeut und Osteopath und ein konservativ behandelnder Orthopäde in einer Schmerzklinik. So war ich gut gerüstet, um die Therapie meines Bandscheibenvorfalls anzugehen.
Leider verschlechterte sich mein Zustand in den nächsten Tagen so massiv, dass ich bei meinem ersten Termin bei meinem Orthopäden vor die Wahl gestellt wurde, ob ich mich operieren lassen oder einen stationären konservativen Therapieversuch im Krankenhaus starten möchte. Ich entschied mich für Option 2. Wie es dort für mich weiterging, könnt ihr in meinem ausführlichen Erfahrungsbericht nachlesen.
Was habe ich im Umgang mit der Diagnose Bandscheibenvorfall gelernt
Das erste Jahr nach meinem Bandscheibenvorfall war sehr intensiv: Krankenhaus, Reha und unzählige Stunden an Training und Therapie. Letztlich hatte ich aber Erfolg und konnte eine Bandscheiben-Operation bislang vermeiden. Außerdem habe ich sehr viel lernen können, was mir im Umgang mit der Diagnose Bandscheibenvorfall hilft. Im Folgenden stelle ich euch meine 10 besten Tipps vor, die den Umgang mit der Diagnose Bandscheibenvorfall definitiv erleichtern.
Tipp 1: Gehe zum Arzt
Was so trivial klingt, ist für viele Menschen gar nicht so leicht. Es gibt nämlich viele Gründe, warum Menschen nicht zum Arzt gehen. Die häufigsten sind sicherlich folgende:
- Ich habe Angst vor der Diagnose.
- Ich habe keine Zeit.
- Auf der Arbeit braucht man mich, ich bin dort nicht zu ersetzen.
- Ich möchte nicht die Zeit des Arztes verschwenden (sind ja nur Rückenschmerzen).
- Der Arztbesuch ist ein Zeichen von Schwäche.
Auch ich bin mit meinen Rückenproblemen viel zu spät zum Arzt gegangen. Zwar hatte ich keine Angst vor einer schlimmen Diagnose, denn ich hätte nie damit gerechnet, dass es sich in meinem Fall um einen Bandscheibenvorfall handeln könnte. Ich war in meinen Augen einfach zu beschäftigt: Arbeit, Familie, Haus, Freizeit, Training. Das alles habe ich auf der Prioritätenliste höher eingeordnet. Die Rückenschmerzen würden schon von alleine wieder verschwinden. Das war bisher immer so. Ich bin mit meinen Schmerzen sogar noch in den Urlaub gefahren und habe dort Sport getrieben.
Rückblickend bin ich der Meinung, dass ich mir viel von meinem Leid hätte ersparen können, wenn ich früher zum Arzt gegangen wäre. Als ich mir schließlich einen Termin machte, waren meine Schmerzen schon so stark, dass ich große Teile des Tages nur noch in Stufenlagerung aushalten konnte.
Doch wann ist der richtige Zeitpunkt zum Arzt zu gehen? Das ist sicherlich eine schwierige Frage, die ich nicht allgemeingültig beantworten kann, möchte oder darf. Den einen Zeitpunkt gibt es nämlich schlichtweg einfach nicht. Ich würde aber eher früher als zu spät gehen. In Bezug auf Rückenschmerzen würde ich es so handhaben: Wenn die Symptome innerhalb von zwei Wochen nicht von alleine besser werden oder wenn die Schmerzen anfangen, in andere Körperregionen auszustrahlen, ist es aus meiner Sicht auf jeden Fall angeraten, einen Termin beim Arzt zu weiteren Abklärung auszumachen.
Tipp 2: Bau dir ein (interdisziplinäres) Team auf
Wer hat es noch nicht erlebt? Man geht mit Rückenschmerzen zum Arzt, der Arzt untersucht einen kurz und ehe man es sich versieht, verlässt man die Praxis mit einem Rezept für Schmerzmittel oder Voltaren-Salbe. Ende der Behandlung. Medizin ist definitiv personenabhängig. Es gibt gute und schlechte Ärzte. Und nicht jeder Arzt kenn sich mit allem gut aus. Man tut also gut daran, sich nicht auf einzelne Personen zu verlassen.
Wer schon einmal eine Schmerztherapie in einer Klinik oder eine Reha in einem modernen Rehazentrum gemacht hat, der weiß, dass man dort interdisziplinär arbeitet. Die interdisziplinäre Schmerztherapie geht vereinfacht gesagt davon aus, dass es viel mehr Einflussfaktoren auf das Schmerzgeschehen gibt als den reine Befund (z.B. in Form eines MRT-Bildes). Nach diesem Ansatz spielen z.B. auch Stress, psychische Veranlagung, Resilienzfähigkeit usw. eine große Rolle.
Um die verschiedenen Einflussfaktoren bei der Therapie berücksichtigen zu können, besteht ein interdisziplinäres Team immer aus mehren Spezialisten auf verschiedenen Gebieten. Das können z.B. sein:
- auf Schmerz spezialisierte Ärzte,
- Orthopäden
- Psychologen
- Physio- und Sporttherapeuten
- Bewegungs- und Ergotherapeuten
- Entspannungstherapeuten
Der Ansatz der interdisziplinären Schmerzmedizin ist einfach nur logisch und man tut gut daran, sich auch für zuhause ein solches interdisziplinäres Team aufzubauen. Gerade mit der Diagnose Bandscheibenvorfall. Bei mir besteht dies aus folgenden Personen:
- Hausärztin
- Orthopäde
- Osteopath
- Mehrere Physiotherapeuten mit verschiedenen Schwerpunkten
- Trainern
Zugegeben, die Auswahl der einzelnen Personen in diesem Team ist nicht ganz einfach und die Besetzung erfordert einiges an Zeit. Wenn es aber erst einmal steht, hat man je nach Problem stets den richtigen Ansprechpartner parat und die einzelnen Beteiligten können sich gut ergänzen.
Tipp 3: Frage kritisch nach
Es gibt ihn definitiv noch: den Mythos vom Gott in weiß. Ärzte lassen sich nicht gerne anzweifeln. Nur selten geben sie zu, wenn sie etwas nicht wissen oder einen Fehler gemacht haben.
Ich bin ein neugieriger Mensch. Vor allem bei Gesundheitsfragen möchte ich alles verstehen. Ich bin Lehrer und schätze Wissensdurst bei meinen Schülern sehr. Ich mag es, wenn sie erst Ruhe geben, wenn sie alles verstanden haben. Ich mache es nicht anders.
Mit dieser Eigenart bin ich schon mit dem ein oder anderen Arzt aneinandergeraten. Häufig interpretieren Ärzte hartnäckiges Nachfragen als Kritik an ihrer Fachkompetenz und gehen in den Verteidigungsmodus. Ich hingegen betrachte es als Recht auf Information. Immerhin geht es um meinen Körper und meine Gesundheit.
Ich bin meinerseits dazu übergegangen, nur noch zu Ärzten zu gehen, die mir alles so erklären können, dass ich es verstehe und meine Fragen zulassen. Ich gehe mittlerweile so weit, dass ich behaupte, an diesem Merkmal gute von schlechten Ärzten unterscheiden zu können. Woran man einen guten Arzt erkennt, darüber schreibe ich übrigens hier.
Tipp 4: Informiere dich
Ein Bandscheibenvorfall ist eine komplexe Verletzung. Es ist so viel mehr als einfacher Rückenschmerz. Neben der Verletzung oder Schädigung der Bandscheibe als wichtigem Teil der Wirbelsäule werden häufig auch Nerven gereizt und im schlimmsten Fall nachhaltig geschädigt. Du hast also zwei Probleme auf einmal: ein orthopädisches und ein neurologisches. Die Diagnose Bandscheibenvorfall erfordert also einiges an Recherchearbeit
Mit einem sicher diagnostizierten Bandscheibenvorfall solltest du dich schnellstens von der einfachen Vorstellung “Ich hab Rücken” verabschieden. Deine Beschwerden habe eine komplexe Ursache, die es zu verstehen gilt. Nur mit vielen und guten Informationen bist du in der Lage, auch gute Entscheidungen zu treffen.
Glaub mir: Wenn du gerade eine 8 in dein Schmerztagebuch eingetragen hast und ein Arzt dir in Aussicht stellt, dass der Schmerz morgen nach der OP ziemlich sicher weg sein wird, stimmst du der Operation wahrscheinlich viel eher zu, wenn du nicht weißt, dass wahrscheinlich 90% aller Bandscheiben-Operationen in Deutschland unnötig sind. Zugegeben, das Beispiel klingt etwas reißerisch, genauso habe ich es aber erlebt. Ich hatte zu dieser Zeit noch nicht so viel gelesen, über die Zahlen von unnötigen Rückenoperationen stolpert man aber zwangsweise als erstes.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn du einen Bandscheibenvorfall hast, lies so viel wie möglich zu dem Thema. Eine Liste meiner “Lieblingsbücher” stelle ich euch bald hier vor.
Tipp 5: Gehe planvoll vor und formuliere Ziele
Bei der Therapie von Bandscheibenvorfällen ist es aus meiner Sicht von entscheidender Bedeutung motiviert zu bleiben. Ich weiß: Manchmal ist das gar nicht so leicht und man möchte am liebsten aufgeben und einfach nur seine Ruhe. Dazu unten mehr.
Mir hilft es sehr, mir bei komplexen Aufgaben ein Plan zu machen. Ich formuliere mir dann Ziele und arbeite konsequent darauf hin, diese zu erreichen. Dabei ist es natürlich wichtig, dass die Ziele so realistisch wie möglich sind. In der Akutphase eines Bandscheibenvorfalls auf das Ziel hinzuarbeiten, die 10 Kilometer unter 45 Minuten zu rennen, ist höchstwahrscheinlich nicht nur unrealistisch, sondern auch absolut kontraproduktiv, weil man zum Scheitern verurteilt ist. Das größte Problem bei der Zielsetzung ist das eigene Ego. Mir geht es auch heute noch so, dass ich mich häufig mit meinem Zustand vor dem Bandscheibenvorfall vergleiche und mich bei solchen Gedanken erwische wie: “Ich möchte, dass einfach alles wieder so ist wie früher!”. Davon muss man sich verabschieden.
Ich möchte damit nicht sagen, dass man mit der Diagnose Bandscheibenvorfall nicht irgendwann wieder an seine persönlichen Bestleistungen herankommt. Es gibt viele Beispiele von Menschen, die nach ihrem Bandscheibenvorfall stärker als je zuvor waren. Der Körper hat nun einmal aber ab dem Zeitpunkt der Verletzung eine Schwachstelle, die Aufmerksamkeit und Veränderung im Denken erfordert.
Mich hat dieser Prozess einiges an Geduld und mentaler Stärke gekostet. Ich konnte mich lange Zeit gar nicht von meinem Vor-Bandscheibenvorfall-Ich verabschieden. Gleichwohl hatte ich vor allem während der Akutphase auch Zeiten, in denen ich meine Verletzung voll und ganz akzeptieren konnte.
In der folgenden Liste zeige ich euch meine Ziele, die ich mir innerhalb des letzten Jahres gesetzt habe. Genauso und in dieser Reihenfolge habe ich sie in einem Notizbuch formuliert:
- Ich möchte nicht an der Wirbelsäule operiert werden. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um die Operation zu vermeiden.
- Ich möchte meinen Schmerz akzeptieren. Ich habe eine Verletzung an meiner Wirbelsäule, die mir unerträgliche Schmerzen bereitet. Diesen Zustand kann ich nicht (oder nur sehr langsam) ändern. Niemand trägt Schuld daran.
- Ich möchte meinen Schmerz kontrollieren können und ein normales Leben führen. Ich möchte Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen. Ich möchte arbeiten gehen.
- Ich möchte schmerzfrei werden.
- Ich möchte wieder ohne Probleme Mountainbike fahren und joggen können.
Tipp 6: Gehe Entscheidungen aktiv an
Wir treffen hunderte Entscheidungen am Tag. Meist tun wir uns dabei nicht allzu schwer, denn diese Entscheidungen haben keine großen Auswirkungen auf unser Leben. Was ziehe ich an? Was soll ich heute Abend essen? Was schaue ich auf Netflix? Erfahrung, Intuition oder Spaß an etwas Neuem lassen uns in Windeseile eine Entscheidung treffen.
Anders sieht es aus, wenn man auf einmal ernstere Entscheidungen treffen muss. So etwa die Entscheidung, die der ein oder andere Bandscheibenpatient sicherlich kennt: Soll ich mich an der Bandscheibe operieren lassen oder nicht?
Wir zermartern uns das Hirn, grübeln, erstellen Pro-und-Contra-Listen und quälen uns mit der Entscheidung. Warum eigentlich? Weil wir Angst haben, die falsche Wahl zu treffen und Angst vor den Konsequenzen haben.
Viel wichtiger als die vermeintlich richtige Entscheidung zu treffen, ist es jedoch, überhaupt eine Entscheidung zu treffen und zu dieser zu stehen. Es ist immer leicht, rückblickend auf eine Entscheidung zu schauen und diese zu bewerten, vielleicht sogar mit ihr zu hadern. Wir wissen aber nicht, was die Zukunft bringt und können nur mit den Informationen arbeiten, die wir im Jetzt haben.
Bewusste Entscheidungen zu treffen ist aktive Lebensgestaltung. Abzuwarten und andere Personen oder Umstände für uns entscheiden zu lassen macht uns passiv und unzufrieden.
Mir persönlich hat diese Herangehensweise sehr geholfen. Nachdem ich die Diagnose Bandscheibenvorfall erhalten hatte, sah ich mich mit der schwierigen Entscheidung konfrontiert, ob ich mich operieren lassen soll oder eben nicht. Ein Arzt sah akute OP-Indikation, der andere bot mir eine stationäre Therapie im Krankenhaus an. Nachdem ich mich in der Kürze der Zeit informiert hatte, entschied ich mich aktiv gegen die Operation und nahm das damit verbundene Risiko einer evtl. unkontrollierten Not-OP in Kauf, sollte die Therapie scheitern.
Tipp 7: Hol dir eine Zweitmeinung ein
Für einen Bandscheibenpatienten ist die ärztliche Zweitmeinung zur optimalen Therapie eine sehr wichtige Option. Eine Operation an der Bandscheibe ist ein tiefgreifendes Ereignis, das nicht leichtfertig angegangen werden darf. Vor allem sollte eine solche Entscheidung nicht alleine auf diagnostischen Ergebnissen (z.B. Befund des Radiologen mit MRT-Bildern) beruhen, sondern immer mit einer gründlichen Untersuchung des Patienten einhergehen. Leider raten viele Orthopäden oder Neurochirurgen scheinbar allzu häufig zu einer Operation der Bandscheibe.
Auch ich erhielt allein auf Grundlage meiner MRT-Bilder den eindringlichen Rat eines Orthopäden, mich schnellstmöglich an der Bandscheibe operieren zu lassen. Wer mehr dazu erfahren möchte, kann hier meinen Erfahrungsbericht lesen. Ich war von dieser Einschätzung völlig überrumpelt und konnte mich glücklich schätzen, dass mir ein weiterer Orthopäde im gleichen Gespräch seine Zweitmeinung kundtat und mir eine stationäre konservative Therapie empfahl. Ich entschied mich letztlich gegen die Operation und bin froh, dass ich zwischen zwei ärztlichen Ratschlägen abwägen und entscheiden konnte.
Tipp 8: Probiere viel aus
Es gibt sie nicht: die eine Therapie bei der Diagnose Bandscheibenvorfall. Dem einen hilft klassische Physiotherapie, der andere schwört auf Wärme oder leichte Bewegung. Meist ist es eine Kombination aus verschiedenen Therapieformen, die sich gut ergänzen und schließlich zum Erfolg führen. Ich habe sehr viel ausprobiert, auch Dinge, von denen ich niemals geglaubt hätte, dass ich sie mal machen würde, weil sie mir peinlich waren. Was solls, egal. Hauptsache es hilft. Hier eine kleine Liste von Dingen, die ich getestet habe:
- CT-PRT
- Quaddeln
- Mechanische Traktion
- Elektrotherapie
- Fango
- Infrarotlicht
- Physiotherapie
- Osteopathie
- Klassische Massage
- Fußreflexzonenmassage
- TENS-Gerät
- Faszienmassage
- Triggerpunkttherapie
- Homöopathie
- Akupunktur
- Wassergymnastik
- Aqua-Jogging
- Rücken-Gymnastik
- Progressive Muskelentspannung
- Autogenes Training
- Nordic-Walking
- Zügiges Gehen
- Training in der medizinischen Trainingstherapie
- Core-Training
- Training auf dem Posturomed
- Rückenschule
- Gruppentherapie-Gespräche
- Schmerzbewältigungs-Seminare
- …
Was ich damit sagen möchte: Vieles beim Umgang mit einem Bandscheibenvorfall geht nach dem Prinzip Trial an Error.
Was dir hilft, wirst du herausfinden, wenn du es ausprobierst. Dein Körper gibt dir Rückmeldung. Du musst nur auf das richtige Maß achten. Also probiere so viel aus, wie es geht oder deine Krankenkasse bzw. dein Geldbeutel zulässt. Was mir besonders weitergeholfen hat, verrate ich dir unter “Was mir geholfen hat”.
Tipp 9: Nimm dir Zeit
Es gibt den abgedroschenen Spruch: Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Das trifft auf einen Bandscheibenvorfall aber leider auf jeden Fall zu. Warum? Ein Bandscheibenvorfall braucht extrem lange, um zu heilen. Gereizte oder gar geschädigte Nerven erholen sich nur sehr langsam und auch das geschädigte Bandscheibengewebe muss heilen.
Ich erlitt einen Sequester, d.h. ein Teil des Gallertkerns meiner Bandscheibe trat aus dem Faserring heraus und hatte keine Verbindung mehr zu dem Rest. Ein solcher Sequester muss vom Körper mühsam abgebaut werden. Das kostet Zeit. Erschwerend kommt bei einem Bandscheibenvorfall hinzu, dass man sehr leicht Rückschläge erleiden kann. Zu viel Ehrgeiz, zu ambitioniertes Training oder Unachtsamkeit kann urplötzlich die Arbeit einiger Monate zunichte machen.
Du musst dich also auf einen langwierigen Genesungsprozess einstellen. In meiner ersten Planung nahm ich mir gedanklich ein Jahr Zeit, um mich von meinem Bandscheibenvorfall zu erholen. Dieses Jahr ist abgelaufen, wenn ich diese Zeilen schreibe. Ich habe keine Schmerzen mehr, aber es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran erinnert werde, dass mein Rücken eine Schwachstelle hat: ein Zwicken hier, ein Ziehen da, mal ist es der Piriformis, der verspannt, mal der Oberschenkel, der nach einem zu langen Tag auf dem Stuhl meckert.
Ich arbeite jeden Tag aktiv an meinem Körper. Jeden Tag Übungen, ausreichend Bewegung, die richtige Ernährung, ausreichend Flüssigkeit. Ein Bandscheibenvorfall bedeutet richtig viel Arbeit. Nimm dir die Zeit dafür und sei geduldig. Dann kann man gut mit einem Bandscheibenvorfall leben.
Tipp 10: Gib nicht auf und verfalle nicht in Selbstmitleid
Vor allem während der Zeit kurz nach der Diagnose, in der ich die stärksten Schmerzen hatte, stellte ich mir regelmäßig die Frage: “Warum muss ausgerechnet ich einen Bandscheibenvorfall haben?”. Nach einiger Zeit des Haderns gelangte ich jedoch zu der Erkenntnis, dass mich diese Frage nicht weiterbringt. Mit seinem Schicksal zu ringen, ändert rein gar nichts. Es ist pure Zeit- und Kraftverschwendung. Zu dieser Einsicht gelangte ich, als ich in einem Buch zum Thema Schmerzbewältigung las, dass Schmerzpatienten ein deutlich erhöhtes Risiko haben, zusätzlich an Depressionen zu erkranken.
Von einer Depression war ich noch weit entfernt, ich ertappte mich aber dennoch häufig bei gedanklicher Schwarzmalerei. Ich hatte durchaus Phasen, in denen ich mir nur schwerlich vorstellen konnte, wie und wann dieser unsäglich starke Schmerz, den mein Bandscheibenvorfall verursachte, endlich wieder weggehen würde. Ich hatte Angst davor, ein Patient mit chronischen Schmerzen zu werden.
Und so beschloss ich, mich nicht mehr länger diesen düsteren Gedanken hinzugeben. Ich hatte von Anfang an einen großen Tatendrang, meinen Bandscheibenvorfall in den Griff zu bekommen und wollte mich nicht unterkriegen lassen. Ich glaube, wenn man einmal nachlässt und sich der Depression hingibt, dann ist es unglaublich schwer, da wieder herauszukommen.
Ich weiß, das klingt jetzt alles ein bisschen cheesy, teilweise auch herzlos. Aber genau so ist es: Lass dich nicht unterkriegen, gib nicht auf und verfalle nie, wirklich NIE in Selbstmitleid. Wenn du dich aufgibst, setzt du damit einen Kreislauf in Gang: Du willst nichts mehr machen, weil du Schmerzen hast. Alles dreht sich nur um deinen Schmerz. Das klingt jetzt hart, aber auch deine Freunde und deine Familie haben auf Dauer keine Lust, immer nur über deine Rückenprobleme zu reden. Also hör auf damit. Kümmere dich aktiv um dein Problem. Mach so viel es geht und freu dich deines Lebens. Wenn gar nichts mehr geht, sprich mit deinen besten Freunden und deiner Familie. Wenn nötig, such dir einen Psychotherapeuten.
Ein Bandscheibenvorfall ist eine zähe Angelegenheit. Die Beschwerden gehen nicht nach ein paar Wochen weg. Bei dem einen sind es drei Monate, bei dem anderen sechs. Ich war nach etwa einem Jahr mehr oder weniger beschwerdefrei. Es gibt aber auch Menschen, die brauchen zehn Jahre oder mehr, um sich von einem Bandscheibenvorfall zu erholen. Ganz weg ist er sowieso nie. Daran gewöhnt man sich besser früh. Der Rücken wird fortan immer ein Thema für dich sein. Deal with it!
Pingback: Facebook-Gruppen Bandscheibenvorfall: Meine Erfahrungen